Ansprache zum Fest Maria vom Berge Karmel (16.7.2025):
Von jener Stunde an ...
"Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich."
Johannesevangelium 19,25-27
„Von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“
So haben wir es gerade gehört. „Von jener Stunde an.“ Gerade einmal zwei Sätze, ultrakurze noch dazu, hat Jesus gesagt – und damit eine neue Realität geschaffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sich der Jünger und Maria bereits vorher gekannt, doch ist durch diese wenigen Worte Jesu eine neue Beziehung zwischen ihnen entstanden, weit tiefer und intensiver als zuvor.
Dabei fällt auf, dass nicht die Mutter ihren neuen Sohn aufnimmt, wie es doch sonst ist, zumindest solange die Kinder noch klein sind, sondern umgekehrt – der Sohn die neue Mutter. Sicher mag das mit den damaligen sozialen Gegebenheiten zusammenhängen, aber da eigentlich alles im Johannesevangelium einen tieferen Sinn hat, dürfen wir ihn auch hier wohl auch hier sehen: Jesus stiftet eine Beziehung zwischen dem Jünger, den er liebt, und seiner Mutter. Aber das ist kein Automatismus: er wünscht sich diese Beziehung, aber er drängt sie nicht auf. Damit sie auch zustande kommt, muss der Jünger aktiv werden, sich den Wunsch Jesu zu eigen machen und Maria bei sich aufnehmen, sie wie es wörtlich heißt „in sein Eigenes nehmen“.
Seit alters her – das wissen Sie sicher – ist die Kirche überzeugt, dass der Evangelist mit dem „Jünger, den Jesus liebte“ nicht (oder jedenfalls nicht nur) eine bestimmte konkrete Person bezeichnen wollte, sondern jeden Jünger und jede Jüngerin, den und die Jesus liebt – also jeden und jede von uns. Jede, jeder von uns ist eingeladen, Maria in ihr, in sein Eigenes zu nehmen.
Wie geht das? Sicher können dabei die verschiedenen Formen der Frömmigkeit hilfreich sein. Aber das Wesentliche scheint mir zu sein, mit Maria in Beziehung zu treten, indem ich mich auf sie als Person einlasse: Wer ist sie? Was macht sie aus?
Nun, über diese Frage sind unzählige (und zum Teil seht fantasievolle) Bücher geschrieben worden. Ich werde mich hier auf drei Aspekte beschränken, die uns Johannes in seinem Evangelium schildert.
Da ist zunächst einmal Maria bei der Hochzeit zu Kana. Sie ist es, der bei der Hochzeit zu Kana auffällt, dass der Wein ausgegangen ist – bei einer Hochzeit ein absolutes Nogo, schließlich steht der Wein doch für die Freude, die ein solches Fest ausmacht! Das zeigt ihre Sensibilität: Maria hat ein waches Auge für die Not ihrer Mitmenschen, in diesem Fall der Brautleute. Und sie lädt uns einfach durch ihr Verhalten ein, es ihr gleichzutun.
Und zweitens: sie lebt so aus der Beziehung zu Jesus, dass sie diese Not ganz selbstverständlich vor Jesus bringt. Dabei fällt auf, dass sie keine Bitte ausspricht und schon gar keine konkrete Anweisung, was Jesus jetzt bitte schön tun solle. Sie hält ihm die Situation einfach hin: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Johannes vom Kreuz bezieht sich genau auf diesen Satz Marias, wenn er schreibt: „Wer einfühlsam liebt, ist nicht besorgt zu erbitten, was ihm fehlt und er sich wünscht, sondern er trägt seine Not vor, damit der Geliebte tue, womit ihm [also Jesus, dem Geliebten!] gedient ist.“ (Geistlicher Gesang B 2,8)
Darin aber lässt Maria sich dann auch nicht beirren, als Jesus zunächst einmal gar nicht kooperativ reagiert, sondern sie abweist. In der Gewissheit, dass Er etwas tun wird – was auch immer – verweist sie die Diener (und damit auch uns) an Jesus: „Was ER euch sagt, das tut.“
Man hat Maria mit einer Tür verglichen, der Tür zu Gott und zu Jesus: Wenn man die Tür selbst sieht – dann ist sie verschlossen und verfehlt ihren eigentlichen Zweck, nämlich ein Durchgang zu sein hin zu Gott.
Vielen Menschen heute fällt es schwer, eine Beziehung zu Maria zu finden. Doch wenn ich mich auf Jesus einlasse und mich, so gut ich das halt kann, bemühe zu tun, was Er mir sagt – dann lebe ich schon wie sie, und dann ist diese Beziehung von ihrer Seite aus im Grunde schon da. Nicht umsonst sagt Jesus an andrer Stelle (Mt 12,50, vgl. Mk 3,35): „Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ – der ist mit mir in Beziehung und damit auch mit meinerer Mutter.
Schließlich ein drittes: Maria bleibt an der Seite Jesu, selbst da, wo Sein Weg Ihn ans Kreuz und in den Tod führt.
Bei Jesus bleiben, auch wenn es richtig gefährlich und hart wird – das ist sicher die größte Herausforderung. Sicher, niemand von uns ist wegen des Glaubens an Christus einer Verfolgung ausgesetzt, anders als in vielen anderen Ländern. Doch auch uns trifft immer wieder Leid, im Kleinen wie im Großen – sei es, dass es uns direkt betrifft oder Menschen, die uns nahestehen. Dass wir dann bleiben – bei Ihm bzw. bei dem Menschen, den es getroffen hat – das ist Jesu Wunsch an uns.
Er lädt uns ein, auch und gerade im Leid bei Ihm zu bleiben, auf Ihn zu schauen, Ihm zu vertrauen. Sicher nicht darauf, dass sich alle Schwierigkeiten und aller Schmerz in Wohlgefallen auflöst – aber doch darauf, dass Er wie es im Römerbrief (8,28) heißt „bei denen, die Ihn lieben (da ist es wieder: bei denen, die Ihn lieben!), alles zum Guten führt.“
Das wird uns mit Sicherheit längst nicht immer gelingen. Aber bei dem Jünger, von dem Johannes an dieser Stelle spricht, ist es wohl auch nicht auf Anhieb gelungen. Jedenfalls heißt es bei Matthäus (26,56) und Markus (14,50) in Bezug auf die Verhaftung Jesu: „Da verließen ihn alle und flohen.“ Alle – also wohl auch dieser Jünger. Doch er ist zurückgekommen, um Jesus in seiner schwersten Stunde beizustehen.
Die Kraft, es ihm gleichzutun, haben wir nicht aus uns selbst. Doch wenn wir bei Jesus bleiben – dann wird auch Er bei uns bleiben und uns Seine Kraft schenken. Und nicht nur Er selbst – auch Seine Mutter wird bei uns bleiben und uns zur Seite stehen, so wie sie bei ihrem Sohn geblieben ist.
Amen.
Sr. Maria Burger